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Bildung & Forschung

„Kinder von Einwanderern haben in Bayern bessere Bildungschancen”

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Wenige Monate vor der bayerischen Landtagswahl geben Umfragen der CSU die Chance auf eine Wiedererringung der absoluten Mehrheit. Die Bayern sind mit ihrer Bildungspolitik zufrieden. Was tut Bayern aber speziell für Kinder von Einwanderern?

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„Kinder von Einwanderern haben in Bayern bessere Bildungschancen”
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Die letzten Umfragen zur bayerischen Landtagswahl räumen der CSU beste Chancen ein, nach ihrer historischen Wahlschlappe im Jahre 2008 wieder die absolute Mehrheit zu erringen, welche die Partei zuvor durchgehend seit 1962 innegehabt hatte.

Ein besonderer Erfolgsfaktor ist dabei der Stolz der Bayern auf ihre Bildungspolitik, bezüglich derer dem Freistaat in fast allen Studien der vergangenen Jahre und Jahrzehnte eine deutschlandweite Spitzenposition bescheinigt wurde. Was macht aber das Erfolgsgeheimnis des bayerischen Bildungssystems aus und was ist in diesem Zusammenhang mit Blick auf Kinder mit Migrationshintergrund besonders wichtig?

DTJ sprach darüber mit Bildungsminister Dr. Spaenle.

Herr Spaenle, wie schätzen Sie die Wahlchancen Ihrer Partei ein?

Wir haben die Chance, durch harte Arbeit die Menschen in Bayern zu überzeugen und ein gutes Ergebnis zu erzielen. Alles andere wird am Wahltag entschieden.

Welche Botschaften würden Sie an die türkischstämmigen Bürger in Bayern und Deutschland übermitteln?

Bayern ist eine weltoffene Heimat. Derzeit leben rund 2,5 Millionen Menschen mit Wurzeln in anderen Kulturen in Bayern. Wir freuen uns über alle Menschen, die sich in Bayern beheimatet fühlen. Diesen Menschen wollen wir entsprechend positive Möglichkeiten eröffnen, so dass sie ihren Lebensplan inmitten unserer Gesellschaft verwirklichen können. Wir wollen ein Miteinander und kein Nebeneinander. Wir wollen einen aktiven Integrationsprozess, der positive Entwicklungen bringt.

Sie sind seit 4 Jahren bayerischer Bildungsminister. Wie bewerten Sie das bayerische Bildungssystem?

Kinder mit Migrationshintergrund haben im Vergleich zu anderen Bundesländern in Bayern deutlich bessere Bildungschancen. Das zeigen auch nationale Vergleichstudien, die im Auftrag der Kultusministerkonferenz oder von internationalen Institutionen durchgeführt wurden. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund begreife ich als eine besondere Herausforderung des bayerischen Bildungswesens. Hier wollen wir noch besser werden.

Wie würden Sie Kritiken gegenüber dem bayerischen Bildungssystem entgegnen?

Im bayerischen Schulsystem sind die Chancen eines Jugendlichen bundesweit mit die besten. In Bayern ist beispielsweise der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, mit gut 5 Prozent niedriger als in den meisten anderen Bundesländern. Das ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass Bayern in den letzten Jahren die Förderung der Kinder und Jugendlichen an den weiterführenden Schulen ausgebaut hat. Und: In Bayern kamen in den vergangenen vier Jahren mehrere Tausend Lehrkräfte neu in den Dienst – für die Bildung der Schülerinnen und Schüler. Auch das zeigt, dass Bildung in Bayern Priorität hat.

SPD und Grünen verlangen aber, dass Kinder mehr gemeinsam lernen. Danach sollen Kinder erst nach der 6. Klasse auf weiterführende Schulen gehen.

Das mehrgliedrige bayerische Schulsystem fördert die Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen Begabungen und Interessen bestmöglich. Mit dem Wechsel der Schülerinnen und Schüler auf die weiterführenden Schulen nach der 4. Jahrgangsstufe können wir den Schülerinnen und Schülern in Bayern passgenaue Bildungsangebote machen. Dabei ist entscheidend, dass die einzelnen Schularten gut miteinander vernetzt sind. Nach dem Prinzip „Kein Abschluss, ohne Anschluss“ konnte die Durchlässigkeit des bayerischen Bildungswesens in den letzten Jahren deutlich erhöht werden: Mittlerweile werden über 40 Prozent der Hochschulzugangsberechtigungen über Wege der beruflichen Bildung erworben.

Aber in manchen Bundesländern gibt es Gemeinschaftsschulen und Gymnasien, keine Hauptschulen mehr. Was halten Sie davon?

Ich halte diese Entscheidung, die auch CDU-regierte Bundesländer getroffen haben, wirklich für grundlegend falsch. Wir wickeln in Bayern keine Schularten ab, sondern wir entwickeln die Schulen weiter. Dazu zählt auch die klassische Hauptschule, die zur Mittelschule weiterentwickelt wurde.

Was ist der Unterschied zwischen der Haupt- und Mittelschule?

Die Mittelschule ist die weiterentwickelte Hauptschule. Das breite Bildungsangebot einer Mittelschule weist unter anderem folgende Merkmale auf: ein Ganztagesangebot, die Möglichkeit, einen mittleren Bildungsabschluss zu erwerben sowie eine verstärkte Berufsorientierung auch in Zusammenarbeit mit Berufsschulen und Arbeitsagenturen. An den Mittelschulen werden die Schülerinnen und Schüler durch diese Angebote intensiv auf Ausbildung und Beruf vorbereitet.

In Deutschland ist Bildung Ländersache. Manche Länder wollen, dass der Bund Länder dabei finanziell unterstützt. Sie sind aber dagegen, warum?

Bildung ist das Kernstück des Föderalismus. Die Länder sind abschließend verantwortlich für die Bildung. Auch für die Menschen vor Ort spielt Bildung eine zentrale Rolle. Die Verantwortung der Länder ist auch im Grundgesetz verankert. Eine Veränderung dieser Grundanordnung wäre meiner Meinung nach völlig falsch. Wir müssen die Verantwortung der Länder auf Bundesebene wahrnehmen. Deswegen schlagen wir als Bayern einen Staatsvertrag vor, der mehr Mobilität der Menschen und eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse ermöglicht. Der Bund und die Länder können in vielen Bereichen der Bildung zusammenarbeiten.

Sollte man das Bildungssystem in Deutschland nicht vereinheitlichen?

Ich bin ein strikter Gegner einer Lösung, die aus Berlin kommt und für alle Schulen von Schleswig-Holstein bis Bodensee dasselbe vorsieht. Klar ist aber auch, dass die Vergleichbarkeit der Bildung in den Bundesländern deutlich weiterentwickelt werden muss. Vor allem müssen wir zwei Grundrechte in Harmonie bringen, nämlich Mobilität und Bildung. Deswegen schlagen wir, Sachsen, Sachsen Anhalt und Bayern, einen Staatsvertrag vor. Das ist das stärkste Instrument, das die Länder haben. Wir gehen sogar noch weiter: Wir werden zusammen mit fünf Bundesländern im Jahr 2014 zum ersten Mal in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch gemeinsame Aufgaben und Aufgabenteile in der Abiturprüfung haben.

Die Gymnasialzeit wurde in Bayern auf 8 Jahre verkürzt. Deutsche Universitäten führen aber immer mehr Eignungsprüfungen für bestimmte Fächer ein. Ist dies nicht eine Abwertung des Abiturs?

Eignungsprüfungen an deutschen Universitäten sind älter als die Verkürzung der Gymnasialzeit. Darüber hinaus denke ich, dass Eignungsprüfungen wichtige ergänzende Instrumente sein können.

Wie schätzen Sie den Bildungserfolg der Kinder von Einwanderern in Bayern ein?

Laut Bildungsstudien haben wir bundesweit mit die besten Bildungschancen für Menschen mit Migrationshintergrund. Auch nach einer Vergleichsstudie von Grundschulen in großen Städten sind München und Nürnberg deutlich besser als beispielsweise die Stadtstaaten. Trotzdem haben wir eine große Aufgabe: Vor allem männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund in Großstädten tun sich in der Schule schwer. Dafür setzen wir auf Sprachförderung und haben unsere Schulklassen auf 25 Schülerinnen und Schüler begrenzt, wenn etwa die Hälfte der Klasse aus Schülern mit Migrationshintergrund besteht. Damit haben wir vergangenes Schuljahr alleine in München 100, in Nürnberg 60 und in Augsburg 30 zusätzliche Klassen bilden können. Die Schülerinnen und Schüler können so besser individuell gefördert werden.

Allerdings besuchen 60 Prozent der Kinder die Hauptschule und ganz wenige gehen auf das Gymnasium. Wo liegt das Problem?

Die zusätzliche Hürde, die die Kinder von Migranten zu überwinden haben, ist die Tatsache, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Deswegen hat Bayern in den letzten Jahren die Sprachförderung der Schüler mit Migrationshintergrund deutlich ausgebaut. Mit den erfolgreichen Vorkursen Deutsch beginnen wir damit schon im Kindergartenalter. Für eine gelingende schulische Bildung ist auch die Bereitschaft der Eltern zur Mitwirkung am Bildungsprozess sehr wichtig.

Sie haben vor ein paar Jahren bei einem Treffen mit türkischen Journalisten Folgendes gesagt: „Ganz provokativ sage ich, wir müssen Migrantenkinder fördern.” Warum?

Das ist ganz einfach. Wenn wir die Stadt München sehen, stellen wir fest, dass etwa die Hälfte aller Kinder in Grundschulen Migrationshintergrund hat. Das ist einfach die gesellschaftliche Wirklichkeit. Für diese Kinder haben wir einerseits den Verfassungsauftrag zu erfüllen, dem Kind eine entsprechende Bildungschance zu ermöglichen. Andererseits gibt es aber auch klare volkswirtschaftliche Gründe: Je mehr junge Menschen ihren Bildungsweg erfolgreich gehen, desto besser ist es für unsere Gesellschaft.

Türkische Jugendliche können aber zum Teil nicht richtig Türkisch. Was sagen Sie dazu?

Vor 10 Jahren haben wir eine wichtige Entscheidung getroffen, die Schüler mit Migrationshintergrund in der deutschen Sprache intensiv zu fördern. Das ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Bildungskarriere. An einigen Gymnasien kann man aber mittlerweile auch Türkisch als spät beginnende Fremdsprache wählen. Allerdings ist die Nachfrage nicht sehr groß. Ich appelliere an die Schüler mit Wurzeln in anderen Kulturen, dass sie die Bildungsangebote in Bayern wahrnehmen, um ihren Bildungsweg erfolgreich zu gestalten.