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Politik

Telefonate mit Putin und Obama: Erdoğans eigenwilliges Erinnerungsvermögen

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Bereits zum wiederholten Male präsentiert der Premierminister eine andere Version eines Gesprächs mit einem weltweit bedeutenden Politiker als dieser selbst. (Foto: cihan)

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Putin und Erdogan in Sotschi.
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Man kennt es von Fußballspielen oder Wahlkampfveranstaltungen: Oft erweckt die Art und Weise, wie in den Medien darüber berichtet wird, den Eindruck, diese hätten ein komplett anderes Event besucht als man selbst. Dass sich dieses Phänomen auch im Zusammenhang mit Aussagen zu Gesprächen zwischen Regierungschefs weltpolitisch bedeutsamer Staaten zeigt, ist eher unüblich.

Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan scheint in letzter Zeit allerdings einiges anders erlebt zu haben als seine Gesprächspartner. So hat der Präsident der Russischen Föderation, Vladimir Putin, eine andere Erinnerung an sein Telefongespräch mit dem türkischen Premierminister vom 4. März über die Situation auf der Ukraine und insbesondere der Krim, als Letzterer in seinem Statement anklingen lässt.

Im Kommuniqué des Kreml hieß es zum Inhalt des Gesprächs: „Beide Seiten gaben ihrer Zuversicht Ausdruck, dass trotz der aggressiven Aktionen radikaler und extremistischer Elemente auf dem Maidan der interethnische und interreligiöse Frieden und die Ordnung auf der Krim gesichert werden können“. Diese Einschätzung deckt sich zumindest mit der russischen Politik gegenüber der Krim und den Angeboten des Regierungschefs der Autonomen Region, Sergej Aksjonow, an die muslimische Minderheit der Krimtataren, künftig führende Regierungsämter auf der Krim auszuüben.

Dem Kreml zufolge habe die türkische Seite die Initiative ergriffen und man habe detailliert über die Krisensituation in der Ukraine gesprochen, insbesondere die jüngsten Entwicklungen auf der Krim. „Vladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan kamen überein, auf verschiedenen Ebenen die Kommunikation in dieser Sache aufrecht zu erhalten“, hieß es in der Erklärung weiter.

Erdoğan über rechtsextreme Tendenzen in der Ukraine nicht besorgt?

Das Büro Erdoğans hingegen berichtete, der Premierminister habe davon gesprochen, dass alle Seiten das Völkerrecht respektieren sollten, um die Krise in der Ukraine überwinden zu können. „Während seines Gesprächs mit Russlands Präsident Putin unterstrich Premierminister Erdoğan, es wäre wichtig, die politische und territoriale Integrität der Ukraine aufrechtzuerhalten und umgehend die Spannungen auf der Krim zu reduzieren.“ Anders als im Statement des Kremls war von „aggressiven Aktionen radikaler und extremistischer Elemente“ nicht die Rede.

Erdoğan habe Putin der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge gesagt, es läge an den Ukrainern selbst, eine Lösung zur Krise zu finden, und fügte hinzu, dass die Instabilität in der Ukraine die gesamte Region in negativer Weise beeinflussen könne.

Ankara hatte sich bislang stets für die Einheit der Ukraine ausgesprochen und eine Sezession der Krim abgelehnt, allerdings auch keine Konfrontation mit Moskau gesucht, sondern sich für einen Dialog zur Lösung der Krise ausgesprochen.

Das Telefongespräch mit Putin ist nicht die einzige Unterredung der letzten Zeit, an die der türkische Premierminister eine andere Erinnerung zu haben scheint als sein Gesprächspartner. Am 19. Februar hatte Erdoğan mit US-Präsident Barack Obama telefoniert und dabei offenbar die Auslieferung des in Pennsylvania lebenden türkischen Islamgelehrten Fethullah Gülen an die Türkei verlangt. Die Regierung in Ankara sieht Gülen als Drahtzieher einer angeblichen Verschwörung, die hinter den Korruptionsermittlungen stehe, die sich gegen führende Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Regierungspartei AKP richten.

USA denken gar nicht an eine Auslieferung

Erdoğan hatte in einer TV-Sendung behauptet, Obama habe sich zuversichtlich dahingehend geäußert, dass eine solche Auslieferung stattfinden würde. Aus dem Weißen Haus kam jedoch umgehend ein Dementi. Darin hieß es, der türkische Premierminister habe den Inhalt des Gesprächs mit dem US-Präsidenten offenbar missverstanden und die Antwort, die Erdoğan Obama bezüglich Gülen zugeordnet habe, sei nicht akkurat. Damit wurde erstmals im Verlaufe der türkisch-amerikanischen Beziehungen einer Darstellung eines türkischen Premierministers über ein Ereignis widersprochen.

Offenbar versuchte der Premierminister schon lange vor dem 17. Dezember 2013, die USA von der Gefahr, die von der Hizmet-Bewegung angeblich ausgehe, zu überzeugen.

Bereits seit Mai 2013 soll die Ankara unter Federführung des Chefs der Nationalen Geheimdienstorganisation der Türkei (MIT), Hakan Fidan, konkrete Pläne zur Zerschlagung der Gülen-Bewegung in den USA ausgearbeitet und diese auch Präsident Obama zugänglich gemacht haben. Dabei soll man Angaben des Präsidenten der Samanyolu Mediengruppe, Hidayet Karaca, zufolge auch nach dem Prinzip „Tarnen und Täuschen“ agiert haben.

Arınç soll nicht eingeweiht gewesen sein

So habe Fidan zeitgleich mit einem Besuch des stellvertretenden Premierministers Bülent Arınç bei Fethullah Gülen in Pennsylvania dem US-Präsidenten ein Dossier übergeben, das einen Plan zur Zerschlagung der Hizmet-Bewegung enthalten haben soll. Karaca zufolge soll Arınç jedoch weder über das Dokument noch über den Besuch Fidans im Bilde gewesen sein.

Karaca weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass eine regierungsnahe Zeitung über die Übergabe eines solchen Plans an Obama im Mai 2013 berichtet und die Regierung die Meldung nicht dementiert habe.

Im vergangenen November hatte einem von der „Taraf“ veröffentlichten bis dato geheimen Dokument zufolge die regierende „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) im Jahre 2004 einer Reihe von repressiven Maßnahmen zugestimmt, die namens des Nationalen Sicherheitsrats (MGK) gegen die Aktivitäten der Hizmet-Bewegung geplant waren.