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Panorama

Scherz um „Bombenkohle“ führt zu Antiterroreinsatz

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Generation Klettverschluss schlägt wieder zu: Ein Dummejungenstreich führt zu einem Antiterroreinsatz gegen einen syrischen Studenten im Ruhrgebiet. Eine völlige Bagatelle wird zum Trauma für einen Unbeteiligten. (Foto: dpa)

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Ein deutscher Polizeibeamter
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Den Hintergrund der Geschichte bildet der Bürgerkrieg in Syrien. Hundertausende Menschen sind auf der Flucht nach Norden, in Richtung Türkei. Die Türkei hat inzwischen fast eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Anfang 2013 sehen sich auch die Eltern von Mahmud T. (Name von der Red. geändert), der in Deutschland studiert, auf der Flucht und schaffen es, nach monatelangem Umherirren, in die Türkei zu kommen. Dort kann ihnen ein Freund aus Deutschland über Umwege nach Wochen sogar eine Wohnung in Istanbul vermitteln. Mahmuds Eltern sind an ihrem Schicksal nicht verzweifelt, haben überlebt und gehören damit zu den Glücklichen.

Es ist ein finsterer Februarmorgen, als es an der Tür des frisch verheirateten Mahmud T. im Ruhrpott klopft. Der Deutsch-Syrer tastet sich zur Tür und öffnet. Vor ihm steht ein achtköpfiges Antiterrorteam, bewaffnet und mit Türrammbrecher im Anschlag. Die Truppe ist hochmotiviert und muss im Kampf gegen den Terror endlich Erfolge aufweisen. „Sind Sie Mahmud T.? Verlassen Sie sofort die Wohnung!“ – „Ja, aber wer sind Sie denn ü…“ – Mehr kann Mahmud T. nicht sagen, denn ein durchtrainierter 2-Meter-Hüne packt ihn am Pyjamakragen aus den Pantoffeln und bringt unseren vorgeblich Verdächtigen in eine verhörtechnisch günstigere Position – mit dem Gesicht zur Wand. „Ja, ich bin Mahmud T.“, flüstert er jetzt. Die Knie zittern ihm.

Weichgespült, unpolitisch und naiv

Was war geschehen? Die Eltern von Mahmud T. hatten auf ihrer Flucht ihren letzten Spargroschen in ihre Kleider eingenäht und versuchten nun irgendwie, die Summe an ihren in Deutschland lebenden Sohn zu überweisen. Wie es der Zufall wollte, befand sich ein deutscher Bekannter Mahmuds in der Türkei, konnte Kontakt zu dessen Eltern aufnehmen und wollte die bescheidene Summe nun nach Deutschland überweisen. Da dies aus logistischen Gründen bei einer türkischen Bank nicht klappte, versuchte er es bei einer saudischen Bank – und diese überwies das Geld. Vielleicht aus Übermut, dass er es mit der Überweisung nun geschafft hatte, aber wohl mehr aus bodenloser Naivität heraus schreibt er nun als Überweisungsgrund „Bombenkohle“ und löste damit Alarm bei den Behörden, einen Antiterroreinsatz und eine sinnlose Verschwendung von Steuergeldern aus.

Behörden messen weiterhin mit zweierlei Maß

Der deutsche Bekannte, wahrscheinlich sozialisiert irgendwo zwischen „Kermit der Frosch“ und „Atze Schröder“, erlebte ein ganz anderes Verhör auf dem Revier als der Deutsch-Syrer. Man fand schnell heraus, dass es sich um eine Entgleisung des jungen Mannes handelte. Ja, man scherzte gemeinsam. Ob er überhaupt mit Konsequenzen zu rechnen hat, ist unklar. Seinen Laptop hat Mahmud T. nach etlichen Wochen mittlerweile wieder zurückbekommen, sein Lachen aber hat er verloren. Es bleibt zu hoffen, dass die Behörden diesen und ähnliche Fälle als das behandeln, was sie sind und nicht auch noch unnötig Politik damit betreiben.