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Politik

Was hat es mit den von Davutoğlu unterschriebenen Briefen auf sich?

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In den vergangenen Tagen haben viele türkische Haushalte in Deutschland Briefe erhalten, die persönlich von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu signiert sind. Was hat es mit ihnen auf sich, woher hat die AKP die Anschriften?

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Anders als Deutschland oder Österreich kennt die Türkei keine Briefwahl. Die Bürger müssen sich schon an die Wahlurnen begeben, um ihre Stimmen abzugeben. Doch im Vorfeld der Wahlen sorgen neuerdings Briefe für Irritation.

In den vergangenen Tagen haben Bürger in Deutschland und Holland Briefe bekommen, die als Absender den Namen des Ministerpräsidenten der Türkei, Ahmet Davutoğlu, tragen. Die Briefe sollen aus Frankreich und Belgien geschickt worden sein. Wie das Hamburger Zentrum der AKP für die Koordinierung der Wahlen über Facebook mitteilte, wurden diese Briefe an 600.000 Bürger geschickt.

Der Brief Davutoğlus

Der Brief fängt mit Sevgili Kardeşim an (Mein/e liebe/r Schwester/Bruder). Über längere Passagen enthält er Lob und Anerkennung für die in Europa lebenden türkischen Mitbürger. Danach geht er auf einige Versprechen der Regierung ein, wie zum Beispiel 20 Prozent Ermäßigung für Familien bei Turkish Airlines-Flügen, Verlängerung der Aufenthaltsfrist für ausländische Autos und Handys in der Türkei, Senkung der Summe für den Freikauf aus dem Militärdienst für türkische Staatsbürger. Zudem verspricht die AKP, bilinguale Kindergärten mit Türkisch- und Deutschunterricht in Deutschland zu fördern.

Gegen Ende des Briefes erinnert Davutoğlu daran, dass die Bürger an den Konsulaten vom 8. bis 25. Oktober, an den Grenzübergängen und Flughäfen vom 8. Oktober bis zum 1. November wählen können. „Ich glaube von ganzem Herzen, dass ihr an die Wahlurnen gehen und euer Ja-Kreuz für eine starke und neue Türkei bei der AKP setzen werdet“, schreibt Davutoğlu.

Gesetz von 1961

Viele Bürger waren irritiert und vor allem Nicht-AKP-Wähler haben sich in sozialen Medien über den Brief beschwert. Viele fragten, ob es mit den Datenschutzbestimmungen zu vereinbaren sei, wenn eine Partei ihre Adressen ausfindig macht und ihnen Briefe mit Wahlwerbung zuschickt. In Holland hat sogar die Datenschutzbehörde CBP nach Beschwerden mancher Bürger Ermittlungen eingeleitet, um festzustellen, ob die AKP Gesetze verletzt hat oder nicht. Was hat es nun auf sich mit diesen Briefen?

Unsere Recherchen ergaben, dass die AKP die Adressen vom Hohen Wahlrat (Yüksek Seçim Kurulu, YSK) bekommen hat. Dies gehe auf Artikel 298 des türkischen Wahlgesetzes zurück, das aus dem Jahr 1961 stammt, erklärte ein Sprecher des YSK gegenüber DTJ. Es ist also nach aktuellem Stand mit dem türkischen Recht vereinbar. Jede Partei könne sich an den YSK wenden und die Anschriften bekommen. Auch nach deutschem Recht liegt keine Verletzung des Datenschutzes vor. Zur Erinnerung: Auch die HDP verschickte im Mai Briefe an wahlberechtigte Türken in Deutschland.

Wirkung psychologischer Natur

Doch welchen Sinn erfüllen die Briefe in Zeiten des Informationszeitalters? Die Wirkung sollte wohl nicht unterschätzt werden. Allein in Deutschland leben 1.384.410 türkische Wahlberechtigte, von denen am 7. Juni etwa 40 Prozent zur Wahlurne gegangen sind. Die Parteien legen großen Wert auf die Stimmen in Deutschland. Fast schon traditionell kommen vor jeder Wahl die Spitzenpolitiker hierher, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren und neue Wähler anzusprechen.

Die Wirkung des Briefes ist wohl psychologischer Natur. Die Wahlspots im Fernsehen oder im Netz sind zwar leichter zugänglich, aber eher an die Allgemeinheit gerichtet. Der Brief dagegen wendet sich direkt an den Adressaten. Ein Brief, der auch noch höchstpersönlich vom Ministerpräsidenten der Türkei signiert ist, dürfte den ein oder anderen doch beeindrucken.

Dennoch zeichnet sich derzeit eine noch geringere Wahlbeteiligung ab als im Juni. In der ersten Woche gingen knapp 93.000 Türken wählen. Ein Grund dafür dürften auch bürokratische Probleme sein. An diesem Wochenende besteht für die Wähler die letzte Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Die Konsulate haben angekündigt, dass man an beiden Tagen statt bis 18 bis 21 Uhr wählen könne.