Kolumnen
Deutsch-türkisches Familienglück nach 43 Jahren
Nicht alle Gastarbeiter konnten sich einen Familiennachzug leisten. Bei Hamdi Akkaya wollten es die Schwiegereltern nicht. Die Scheidung folgte, der Kontakt zu seinem Sohn brach ab. Ein Strafzettel führte Vater und Sohn wieder zusammen. (Foto: Zaman)
Jeder Deutschlandtürke, der in den 60er Jahren nach Deutschland kam, hat seine eigene Familiengeschichte. Angesichts des Rotationsprinzips war kein langfristiger Aufenthalt geplant, daher dachte auch niemand so recht daran, seine Familie, sofern es sie schon gab, ebenfalls nach Deutschland zu holen. Anfangs funktionierte das Prinzip, bis festgestellt wurde, dass die Arbeitskräfte immer neu angelernt werden mussten. Die Unternehmer verzichteten bald auf die Rotation, um die Zeit und den Aufwand für das Anlernen zu sparen und auch die Qualität der Arbeit zu sichern.
Dies hatte ungeahnte Folgen für die Arbeitskräfte. Sie wurden in Deutschland ansässig und bemühten sich fortan, nach langer Sehnsucht und Trennung endlich ihre Familien zu sich zu holen. Der anfängliche Grundgedanke, für einige Jahre im Ausland zu arbeiten und Geld zu verdienen, um der Familie eine bessere Zukunft in der Türkei bieten zu können, verflog. Der Familiennachzug kam einer Auswanderung gleich.
Mit diesem Gedanken konnte sich aber nicht jede Familie identifizieren und zurechtfinden. Dies bekam Hamdi Akkaya (75), der 1960 nach Deutschland gekommen war, zu spüren. Er ließ damals seine Ehefrau und seinen 2-jährigen Sohn Erol in der Heimat zurück. Die junge Familie blieb 10 Jahre lang getrennt, bis Hamdi Akkaya, auch bedingt durch den Perspektivenwandel der Arbeitgeber, in der Lage war, seine Familie nach Deutschland zu holen. Die Eltern seiner Ehefrau, Ikbal Akkaya (Gümüş) waren damit aber nicht einverstanden, dass ihre Tochter und ihr Enkelsohn auswanderten.
Hamdi Akkaya kehrte daraufhin allein zurück, die Ehe wurde kurze Zeit später geschieden. Er heiratete in Deutschland ein zweites Mal und gründete eine neue Familie – der Kontakt zu seinem Sohn Erol brach komplett ab.
Wozu ein Strafzettel auch gut sein kann
Auch nach über vier Jahrzehnten lässt dieser schmerzliche Moment der Familiengeschichte Hamdi Akkaya nicht in Ruhe. Dies motiviert seine Enkelin, Sarah Beck (24), die Suche nach ihrem Onkel in der Türkei aufzunehmen. Allein mit der 43 Jahre alten Adresse und der Bitte um eine Recherche nach Erol Akkaya, kontaktiert sie per E-Mail die polizeiliche Dienstelle in Bursa. Am selben Tag bekommt Sarah eine Zusage der Polizei, dass sie alles versuchen wird, um ihren Onkel zu finden.
Die Polizei findet in ihrem Datenbankarchiv tatsächlich einen Bußgeldbescheid wegen einer Verkehrswidrigkeit aus dem Jahr 2002, welcher an Erol Akkaya zugestellt wurde. Sofort leiten die Beamten die aktuelle Adresse und Kontaktdaten an Sarah Beck weiter. Sarah stellt voller Freude den ersten Kontakt über das Internet her, um Vater und Sohn wieder zusammen zu führen. Nach einer 43 Jahre anhaltenden Sehnsucht kann es Erol Akkaya kaum fassen, dass die Strafanzeige, über die er sich so sehr geärgert hatte ihn mit seinem Vater vereinen konnte. Jahrelang litt er unter der Trennung von seinem Vater und lebte mit seiner Mutter zusammen, die einige Jahre nach der Scheidung verstarb. Es fehlte ihm immer der Vater in seinem Herzen, der nun plötzlich selbst zu ihm fand.
Während des ersten Treffens in der Türkei erklärte Hamdi Akkaya, dass er nicht sterben wollte, ehe er nicht das Verhältnis und die Beziehung zu seinem Sohn wieder herstellen konnte, um beidseitig die Möglichkeit zu schaffen, die Folgen dieser Trennung aufzuarbeiten und eine Zusammenführung mit der Familie zu erleben. Vater und Sohn organisierten einen gemeinsamen Urlaub, besuchten das Grab der Mutter und verbrachten viel Zeit miteinander, um die Sehnsucht der Vergangenheit zu stillen. Erol Akkaya freut sich über das Glück, nun auch nach der Rückkehr seines Vaters nach Deutschland, in regelmäßigem Kontakt zu seinem Vater, den Geschwistern und Nichten über das Internet und das Telefon stehen zu können.