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Wirtschaft

Die Rolle der Türkei in Asien

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China wird seine Wirtschaft liberalisieren und weniger an US-Währung als Sicherheitspolster einkaufen. Die USA wiederum werden ihre Energie zunehmend selbst produzieren. Auch die Türkei muss ihren Platz in einem neuen Osten finden. (Foto: reuters)

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Die türkische und chinesische Flagge weht anlässlich des Besuches von Premier Erdogan in der chinesischen Hauptstadt Peking.
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Der chinesische Präsident Xi Jinping stellte kürzlich ein lang ersehntes Reformpaket vor. Dieses Reformpaket stellt das historische Ende einer Suche dar, die nach Mao begonnen wurde. Dieser Prozess, der 1978 begann, als Deng Xiaoping die Parteiführung annahm, wurde unter der Regierung Hu Jiantaos fortgeführt. Trotz der gewagten Schritte, die Hu nach 2005 vorgenommen hatte, war dieser jedoch nicht fähig, so weit zu gehen wie Xi. Xis derzeitige Macht und Stärke lässt sich vom Erfolg des Prozesses, den Deng begonnen hatte, und auch der andauernden US- und EU-Krise ableiten.

Aus diesem Grund ist Xi mächtiger als Deng, der die größte Transformation in China initiierte, denn er konnte nicht die Vorteile einer derart zufälligen internationalen Konjunktur 1978 genießen.

1978 überbrückten die Reformen Dengs die Kluft zwischen der Industrie, der Wissenschaft und Technologie. Das war ein Unterschied etwa zu Stalin in Russland, der keine Politik anstrebte, in der die Industrie die Landwirtschaft verdrängen würde. Dengs Reformen verteidigten diese zwar, setzten aber dennoch einen Schwerpunkt auf die landwirtschaftliche Produktivität. Die Reformen in diesen Bereichen sollten dann auch das Rückgrat der heutigen chinesischen Wirtschaft sein; sie führten auch zur Entstehung einer neuen globalen Gewaltenteilung nach der zweiten Hälfte der 1970er, als der globale Kapitalismus und die US-Wirtschaft begannen, sich in eine Krise zu bewegen.

China legte den Schwerpunkt auf die investitions- und exportbasierten Ersparnisse, die mehr als die Hälfte des nationalen Einkommens ausmachen. Das bedeutete auch einen überdurchschnittlichen Überschuss und deshalb eine riesige Reservenbildung in der Chinesischen Volksbank. In andere Worte gefasst, hat China durch dieses Modell unvermeidlich die USA finanziert, indem es die US-Währung eingekauft hatte.

USA werden sich stärker auf den Pazifik konzentrieren

Jetzt wird China das Wachstumsmodell, das durch Dengs Reformen in Gang gesetzt wurde, aufgeben. Innenpolitisch wird das dazu führen, dass der Liberalisierung eine größere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wer wird aber dann die USA finanzieren? Die Antwort ist leicht: Die USA müssen sich selbst finanzieren. Anders ausgedrückt, die USA können nicht mehr einem Außenhandelsdefizit standhalten. Deshalb werden wir vorsichtigere USA sehen, die sich zuerst um ihre Defizite kümmern.

Wir haben Anzeichen dafür sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich gesehen. Die USA schenken nun dem Pazifischen Raum auf Kosten des Mittleren Ostens und des Kaukasus mehr Aufmerksamkeit. Und im Energiesektor sind sie auf der Suche nach einer Alternative zu den Quellen des Mittleren Ostens.

Diese neue liberale chinesische Linie zwingt die USA dazu, ihre Zeit vor allem der Reaktion auf die Entwicklung Chinas im Pazifik zu widmen. Wie lange China die USA auf dem Wege des Außenhandelsüberschusses noch finanzieren wird, ist nun eine wichtigere Frage als jene, wann das Federal Reserve System seine quantitative Entlastung beendet. Es scheint so, als ob China unter der strengen Herrschaft Xis zu einer dynamischeren Wirtschaft werden und sich auf ein neues Modell zubewegen würde, dass den inländischen Markt erweitern und den Wohlstand durch das Vertrauen auf eine liberale Herangehensweise verbessern wird.

Dieses Modell bedeutet auch eine größere Menge an chinesischem Exportkapital und direktem Transfer von Technologien, die der Westen nicht in der Lage ist, zu kontrollieren. Diese wirtschaftliche Realität ist auch der wesentliche Grund dafür, dass China die Ausschreibung zum Raketenabwehrsystem der Türkei für sich gewann.

Kann Abe in seinem Land die Autorität Putins, Erdoğans, Alijews oder Xis entfalten?

Andererseits beginnt in Asien nun auch eine Zeit starker Anführer, die eine enorme Beliebtheit und Unterstützung genießen. Zweifellos ist Xi ein starker und mächtiger Anführer; wir können Gleiches aber auch über den japanischen Premierminister Shinzo Abe sagen. Der politische Wille dieser Anführer wird als Ergebnis der eigenen Strategien und nationalen Interessen geformt – ohne westliche Befindlichkeiten mit einzuberechnen.

Gleichermaßen müssen wir aber auch die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der Türkei aus dieser Perspektive betrachten. Wie Aserbaidschan, China oder Japan, das unter Abes Regentschaft nach einer neuen Wirtschaftspolitik strebt, wird auch die Türkei wieder an ihr früheres Landesinnere herangeführt, das im frühen 20. Jahrhundert aufgegeben wurde.

Als die Türkische Republik nach dem Kollaps des Osmanischen Reiches errichtet wurde, schwächelten die Beziehungen der Türkei in drei wichtige Wirtschaftsgebiete: das ökonomische System, das sich von Ostanatolien bis Aleppo erstreckte, das ökonomische System im Kaukasus und in Russland sowie die Energiequellen in Mosul und Kirkuk. Nun baut die Türkei neue wirtschaftliche und politische Beziehungen in diesen drei Gebieten aus.

Die Abmachungen im Energiesektor, die die Türkei mit der Kurdischen Regionalregierung (KRG) unterzeichnete, verbesserten trotz anfänglicher Vorbehalte die Beziehungen zur Zentralregierung im Irak. Nun wird auch die Regierung Nouri al-Malikis der Türkei ein neues Projekt anbieten, das Öl von Basra aus in den südlichen Mittelmeerraum transportieren soll.

Südlicher Korridor wird zur großen Chance für die Türkei

Das ist unausweichlich, denn die Energiepipelines aus den kaspischen und kurdischen Regionen werden die Route bilden, durch die das Öl transportiert wird. Jede natürliche Gasquelle, die Israel im östlichen Mittelmeergebiet entdeckt, genau wie Basras und Irans Energiequellen, werden keine andere wirtschaftliche Option haben als den Südlichen Energiekorridor zu nutzen.

Wie man sehen kann, beeinflussen die Reformen Xis in China nicht nur das Schicksal des Pazifiks. Sie haben ebenfalls einen Einfluss auf die Türkei und den Mittleren Osten und sie zwingen die USA zu einer radikalen Veränderung ihrer Politik in dieser Region.

Und weil dass der Fall ist, können wir sagen, dass ein neues Zeitalter starker Anführer, die viel Beliebtheit und Unterstützung genießen, in Asien und im Mittleren Osten anfängt. Die ökonomischen und politischen Entwicklungen im Osten können nicht richtig interpretiert werden, ohne dieses Faktum zu würdigen.

Autoreninfo: Cemil Ertem ist Wirtschaftsexperte und Kolumnist bei „Today’s Zaman“.