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Politik

Türkische Medien „fast wie Erdoğans persönliche Verlautbarungsorgane“

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Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in der Türkei beklagen sich die Oppositionskandidaten über ungleiche Voraussetzungen im Wahlkampf. Premierminister Erdoğan würde unzulässiger Weise staatliche Ressourcen für den Wahlkampf nutzen. (Foto: dha)

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Mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beklagen wenige Tage vor dem ersten und Umfragen zufolge auch einzigen Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in der Türkei 2014 ungleiche Voraussetzungen für die Gegenkandidaten des Premierministers Recep Tayyip Erdoğan.

Mahmut Akpınar, Professor für Politikwissenschaften an der Turgut-Özal-Universität in Ankara, äußerte gegenüber „Today’s Zaman“, der Präsidentschaftswahlkampf sei nicht fair, da der Premierminister in unverhältnismäßiger Weise die Ressourcen des Staates für seine Kampagne genutzt hätte.

Auch würden Geschäftsleute sich „naturgemäß“ dazu genötigt fühlen, zur Wahlkampagne Erdoğans mit Spenden beizutragen, zumal über das Internet geleakte Tonbänder im Zusammenhang mit den im Dezember bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen Hinweise darauf gäben, dass starker Druck seitens der Regierung auf Geschäftsleute und Topmanager in diese Richtung ausgeübt werde.

Der Presserat warf zudem der staatlichen türkischen Rundfunkgesellschaft TRT und deren Generalmanager İbrahim Şahin vor, seine Überparteilichkeit verloren zu haben, und forderte diesen zum Rücktritt auf. Şahin hatte auf Kritik des Kandidaten Demirtaş an der ungleichen Verteilung der Sendezeit geäußert: „Die designierten Wahlverlierer suchen jetzt noch nach Ausreden.“

Mahmut Akpınar bestätigte diese Einschätzung. Seiner Ansicht nach würden TRT und die Nachrichtenagentur Anadolu „fast wie Erdoğans persönliche Verlautbarungsorgane“ auftreten.

204 Minuten Erdoğan, 80 Sekunden İhsanoğlu, 45 Sekunden Demirtaş

Demirtaş zufolge wären alleine in der Zeit vom 4.-6. Juli nicht weniger als 305 Minuten Sendezeit auf TRT Türk Berichten über den Premierminister gewidmet gewesen, während sowohl er selbst als auch der immerhin von zwei großen Oppositionsparteien nominierte Ekmeleddin İhsanoğlu fast vollständig ignoriert worden wären.

Auf TRT1 wären in dieser Zeit 24 Minuten Erdoğan und zwei Minuten İhsanoğlu gewidmet worden, ihm selbst gar keine. Auf TRT Haber befassten sich Berichte in der Gesamtlänge von 204 Minuten mit dem Premierminister, 80 Sekunden mit İhsanoğlu und 45 Sekunden mit Demirtaş. Dies sei verfassungswidrig und er wolle rechtliche Schritte dagegen einleiten, so der prokurdische Politiker.

Ayhan Kaya, der Direktor des Europäischen Instituts an der Bilgi Universität Istanbul, weist noch einmal auf die Tonbänder aus der Zeit der Korruptionsermittlungen hin, die nahe legen, dass Unternehmer durch Druck aus der Regierung dazu gebracht worden sein sollen, insgesamt 100 Millionen US-$ für die Bildung eines Medienpools zu spenden, der mehrere Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen auf Linie bringen sollte. Im Gegenzug sollen ihnen öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt worden sein.

Hüseyin Çelik: Oppositionspolitiker sind nicht interessant genug

Der Vorsitzende der oppositionellen Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei; CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, sprach von 630 Millionen US-$, die von Geschäftsleuten zum Zwecke der Errichtung des Medienpools requiriert worden wären – im Gegenzug zu öffentlichen Aufträgen im Umfang von 87 832 Mrd. US-$.

Der stellvertretende Vorsitzende der Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP), Hüseyin Çelik, verteidigte die Praxis des TRT, indem er sagte, „das Charisma und die Popularität“ der jeweiligen Persönlichkeiten hätten mit den Positionen zu tun, in denen sie sich befänden. Wenn Medien etwas für berichtenswert halten, werden sie schon darüber berichten.

Es sei dem Staat nicht erlaubt, Kampagnen von Präsidentschaftskandidaten zu finanzieren und auch darf dem Wahlgesetz zufolge kein Kandidat mehr als 9082, 51 TL (4264 US-$) von einem einzelnen Spender erhalten. Eine flächendeckende Wahlkampagne koste aber mindestens 5 Mio. TL.

Da Erdoğan jedoch in der Zeit der Wahlkampagne sein Amt als Premierminister behalten habe, wäre es ihm möglich gewesen, in dieser Funktion die Infrastruktur und Mittel des Staates zu nutzen, was ihm einen eindeutigen Vorteil verschafft habe.

Bei den Spenden hatten Demirtaş (ca. 361 000 TL) und İhsanoğlu (ca. 2 Mio. TL) gegenüber Erdoğan klar das Nachsehen: Der Kandidat der AKP bekam von 90 382 Personen 24 337 697 TL überwiesen.