Politik
Öcalan-Aufruf: Ankara reagiert positiv, erwartet aber Taten
Die türkische Regierung hat den Waffenruhe-Aufruf von Terroristenführer Öcalan begrüßt, gleichzeitig aber auch Taten gefordert. Erdoğan vermisste bei der Großversammlung in Diyarbakır allerdings die türkische Nationalflagge. (Foto: epa)
Im PKK-Konflikt in der Türkei gibt es nach fast 30 Jahren blutiger Kämpfe Hoffnung auf eine Friedenslösung. Der inhaftierte kurdische Terroristenführer Abdullah Öcalan rief seine Anhänger zu einer Waffenruhe und einem Rückzug der Kämpfer auf. In einer am Donnerstag in Diyarbakır vor Hunderttausenden Kurden verlesenen Erklärung forderte er zugleich politische Verhandlungen und eine Demokratisierung der Türkei. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan begrüßte den Friedensaufruf als „sehr positiv“.
„Das Wichtigste ist, wie er umgesetzt und ausgeführt werden kann. Das ist sehr wichtig“, sagte Erdoğan vor Journalisten in Den Haag. „Sobald das geschieht, wird sich die Stimmung in der Türkei und der Region verändern. Davon bin ich überzeugt.“ Er kritisierte jedoch, dass bei der Kundgebung von Kurden in Diyarbakır, wo die Erklärung Öcalans verlesen wurde, keine türkischen Flaggen zu sehen gewesen seien. Erdoğan war zu einem Staatsbesuch in den Niederlanden. „Die Sprache ist die Sprache des Friedens“, meinte Innenminister Muammer Güler zum Aufruf Öcalans. Er wolle nun eine Umsetzung sehen“.
„Es ist an der Zeit, dass die Waffen schweigen und Ideen sprechen“, hieß es in der Erklärung Öcalans, die Politiker der Kurdenpartei BDP verlasen. Alle trügen große Verantwortung für die Demokratisierung im Zusammenleben der Volksgruppen und ein Leben auf Grundlage von Freiheit und Gleichheit. „Es ist Zeit für Einheit und Zusammenarbeit, nicht für Konflikt“, forderte Öcalan, der seit 14 Jahren im Gefängnis sitzt und dort seit Monaten mit Regierungsvertretern über eine Friedenslösung spricht.
Westerwelle sieht in Öcalans Erklärung „großen Schritt“
In Deutschland begrüßte Grünen-Chefin Claudia Roth den Vorstoß Öcalans und forderte alle Beteiligten auf, nun Taten folgen zu lassen. Der Aufruf gebe Anlass zur Hoffnung, dass die diesjährigen Newroz-Feiern nicht nur den Frühlingsbeginn einläuten, sondern auch Frieden bringen könnten, sagte sie der „Berliner Zeitung“.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat den Aufruf des kurdischen Rebellenführers Abdullah Öcalan zu einer Waffenruhe in der Türkei als „großen Schritt hin zu mehr gegenseitigem Vertrauen“ gewürdigt. „Nun kommt es darauf an, dass den Ankündigungen konkrete Schritte folgen und die Waffen tatsächlich schweigen“, erklärte Westerwelle am Donnerstag in Berlin. „Das würde den Raum für politische Vereinbarungen schaffen, mit denen dauerhaft ein Ende von Konfrontation und Gewalt erreicht werden kann und auch Vorstellungen der kurdischstämmigen Bürger der Türkei auf legitime Weise im Rahmen des türkischen Staates abgebildet würden.“
Streit um Pflegekind beim Besuch von Erdoğan in Den Haag
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan kritisierte bei seinem Kurzbesuch in den Niederlanden, dass ein türkischer Junge bei lesbischen Pflegeeltern in Den Haag lebt. Dies verstoße gegen die religiösen Werte und Normen in der Türkei, betonte Erdoğan. In einem Gespräch mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte (r.) plädierte er dafür, dass Minister beider Länder über türkische Pflegekinder in den Niederlanden beraten sollten.
Das lehnte Ministerpräsident Rutte jedoch entschieden ab. „Das ist keine Sache für Minister.“ Über Pflegekinder entschieden in den Niederlanden nur die zuständigen Behörden und Gerichte. Am Mittag war Erdoğan von Königin Beatrix empfangen worden.
In Den Haag kam es bei einer Demonstration von rund 100 Türken gegen die Menschenrechtspolitik der Türkei zu einem Zwischenfall. Demonstranten warfen eine leere Flasche gegen das Auto von Erdoğan. Die Polizei nahm vier Männer fest. Auch in anderen Städten kam es zu kleineren Demonstrationen. Die befürchteten heftigen Proteste blieben jedoch aus.
Die Menschrechtskommission des türkischen Parlaments will im April die Situation von türkischen Pflegekindern in europäischen Ländern genauer unter die Lupe nehmen.