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Kolumnen

Pegida gehört zu Deutschland

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In Deutschland wird diskutiert, ob man mit Pegida in den Dialog treten solle – mit Leuten, die offensichtlich keine lupenreine Demokraten sind. Die Bedenken dürften berechtigt sein, aber ist denn Sprachlosigkeit eine Alternative? Ich denke nicht. (Foto: dpa)

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Dialog mit Pegida-Leuten. Soll man? Geht das?

Daran scheiden sich die Geister. Cem Özdemir, Co-Vorsitzender der Grünen, sprach sich dagegen aus. Der Sozialdemokrat, Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging als Privatperson auf eine Veranstaltung mit Pegida-Leuten und sprach mit ihnen – und wurde dafür heftig kritisiert.

Ich bin prinzipiell für Dialog. Ich finde, auch Pegida gehört zu Deutschland. Wenn man alles, was einem selbst nicht passt, als nicht zu Deutschland gehörig ansieht, dann hätte Deutschland nicht 82 Millionen Einwohner. Dann wäre Deutschland verdammt dünn besiedelt – ähnlich wie die Mongolei.

Menschen dort abholen, wo sie sind

Man muss eben Menschen dort abholen, wo sie sich befinden. Man kann eben nicht von allen erwarten, dass sie zum Hauptbahnhof kommen (können), um in den Zug einzusteigen.

Dafür sollten aber auch die Pegida-Leute den Mund aufmachen. Auch wenn Bachmann und Oertel nicht mehr dabei sind. Sie müssten den Mund aufmachen, ihren Denkapparat einschalten und bereit sein zur Diskussion. Dialog-Verweigerung ist keine Lösung. Das gilt für beide Seiten.

Und: Sie müssen nicht darauf beharren, ihre Position der Gesellschaft aufdrücken zu wollen. Teilnahme ja, aber keine Haltung nach dem Motto: Entweder Durchsetzung meiner Position oder gar nichts! Das ist keine tragbare, demokratische Haltung.

Von Dialog keine Wunder-Wirkung erwarten

Ich weiß, mit einem Dialog wird nicht alles auf einmal gelöst werden. Wahrscheinlich erst einmal gar nichts.

Menschliche Ängste, die auch noch durch die Jahrhunderte gewachsene Strukturen und Überzeugungen betreffen, sind nicht von heute auf morgen zu ändern; besonders wenn sie die Fragen der kulturellen Identität betreffen. Sie muten irrational an, sind aber trotzdem nicht Luft, sondern tatsächlich vorhanden.

Dazu zwei Beispiele:

In München gerät ein Richter in Kritik, der ein privates Foto auf seine Facebook-Seite gestellt hatte. Das Foto trägt das Schriftzug „Fatih Sultan Mehmet – The Conqueror“. Das ist der Mann, der Istanbul eroberte, vor über einem halben Jahrtausend, genauer gesagt im Jahr 1453.

Es gibt auch die Retter des Morgenlandes

Vermutlich hat er das T-Shirt als Souvenir gekauft. Aber in Bayern gibt es Anlass zur Vermutung, dass der Richter nicht befangen sei, über einen Dschihadisten richten könne.

Für manche gehören Ritterrüstung und Kreuze darauf eben doch nicht zur Vergangenheit. In den Köpfen lebt das weiter.

Genauso wie es Retter des Abendlandes gibt, gibt es aber auch Retter des Morgenlandes. Auch sie sind ähnlich gestrickt.

Auch dazu ein Beispiel:

Im zentralanatolischen Kayseri, das für seinen Konservatismus und seine wirtschaftliche Dynamik bekannt ist, wollte ein Kamerateam eine Dokumentationsfilm drehen. Das war vor zwei Jahren. Dazu hat man zwei Fahnen von der Burgmauer abgehängt.

Bilder manchmal stärker als die Realität

Das hat aber aufbegehrte Bürger auf den Plan gerufen. Sie riefen:

„Was hat denn diese Fahne in einem muslimischen Land zu suchen, egal ob ihr eine Doku dreht oder was anderes?“

„Diese Fahne muss da weg, diese Fetzen muss da weg.“

„Heute bringt ihr diese Fahne, morgen Kreuze und Schwerter.“

„Gibt es denn keine Polizei in diesem Land.“

Doku oder nicht – für manche sind eben Bilder Realität. Für viele sind die Vorstellungen im Kopf stärker als die Realität selbst, egal wie veraltet sie auch sein mögen.

Was sagte noch mal der römische Philosoph Epiktet? Genau, ja: „Nicht die Tatsachen beunruhigen uns, sondern die Meinungen, die wir uns über die Tatsachen bilden.“

Ja, sie gehören auch dazu. Wenn sie auf unbedingte Durchsetzung eigener Positionen bestehen, müsste man – im Prinzip – mit jedem sprechen dürfen.

Sprachlosigkeit führt nicht weiter.