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Bildung & Forschung

Schulstart ohne ein Wort Deutsch

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Zuwandererkinder sind vom Tag ihrer Ankunft an schulpflichtig. Jedoch fehlen Lehrer mit entsprechender Qualifikation. In Hannover hat die Stadt zur Unterstützung der Schulen ein privates Nachhilfe-Institut mit ins Boot geholt. (Foto: dpa)

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Schulstart ohne ein Wort Deutsch
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Sie kommen aus Syrien, dem Irak oder Bulgarien und erleben ihren ersten Schultag ohne ein einziges Wort Deutsch. Verfolgung, Flucht und die Ankunft in einem völlig anderen Kulturkreis müssen die jungen Migranten verkraften. „Viele sind traumatisiert. Die syrischen Kinder haben Hinrichtungen und Morde erlebt, die haben alles gesehen”, sagt Stefan Pape, Schulsozialarbeiter der Stadt Garbsen bei Hannover. Er arbeitet in einem Modellprojekt mit, das Kindern beim Start in das deutsche Schulsystem helfen und verhindern soll, dass die Mädchen und Jungen aus Angst und Überforderung dichtmachen.

Seit September bieten vier Schulen in Garbsen Sprach-Intensivkurse für 34 Grund- und Hauptschüler an, die ohne Deutschkenntnisse nach Niedersachsen gekommen sind. Finanziert werden die Kurse aus dem Bildungspaket für arme Kinder der Bundesregierung. Von den Sprachlehrern der Schülerhilfe Seelze, eines privaten Instituts, haben viele ebenfalls ausländische Wurzeln. Gearbeitet wird viel mit Bildern, auch Rollenspiele wie „Beim Einkaufen” sind beliebt.

Der Schulleiter der Georg-Elser-Hauptschule, Manfred Metge, ist froh über die Unterstützung von außen. „Wir haben keine ausgebildeten Lehrer für Deutsch als Zweitsprache”, sagte er. In der Vergangenheit hätten die betroffenen Schüler oft wertvolle Zeit verloren, weil sie nicht intensiv gefördert werden konnten.

„Sprachkurse sind auch Integrationskurse”

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), rief schon vor dem Integrationsgipfel bei Kanzlerin Angela Merkel dazu auf, die Sprachförderung in die Lehrerausbildung aufzunehmen. In Nordrhein-Westfalen sind bereits jetzt alle angehenden Pädagogen dazu verpflichtet, Seminare zum Thema Deutsch für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte zu belegen. Schließlich sind deutsche Schulen längst international. Nahezu jedes dritte Kind zwischen fünf und zehn Jahren stammt aus einer Zuwandererfamilie.

Selbst Migranten, die in Deutschland geboren wurden, haben oft Sprachschwierigkeiten. „Es ist nicht genug, die Kinder ein halbes Jahr oder ein Jahr vor der Einschulung zu fördern und zu denken, dass sie danach dann keine Unterstützung mehr benötigen”, sagte Elke Montanari, Professorin für Deutsch als Zweitsprache an der Universität Hildesheim.

An der Georg-Elser-Hauptschule werden neue ausländische Schüler täglich 90 Minuten für die Sprachförderung aus dem regulären Unterricht herausgenommen. Welche Fortschritte sie machen, hängt vom familiären Hintergrund ab. „Wir haben Kinder aus dem Irak, aber auch aus Europa, die Analphabeten sind. Daneben gibt es Syrer mit ausgezeichneter Schulbildung, die schon drei Sprachen sprechen”, berichtet der Leiter des Nachhilfe-Instituts, Ali Haydar Koç.

„Das große Problem bei dieser Gruppe ist, dass sie ausgesprochen heterogen ist”, sagt Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Derzeit werde nach Wegen gesucht, wie diese Gruppe am besten gefördert werden könne – ein brisantes Problem, denn die Zuwandererzahlen steigen.

In Garbsen sind die Sprachkurse auch Integrationskurse. Die Schulsozialarbeiter ermuntern die Kinder, bei Sportprojekten teilzunehmen. Die Nachhilfe-Lehrer geben Tipps für den Alltag, zum Beispiel deutsches Kinderfernsehen zu schauen. „Ein Junge hat mir erzählt, dass seine Eltern jetzt auch immer die Nachrichten im Kinderfernsehen gucken”, erzählt Koç. (dpa)