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Geschichte

Erster Weltkrieg: Deutsche Interessen Teil des türkischen Kriegsplans

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Die Beziehungen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich waren zunächst wirtschaftlicher, später zusehends militärischer Natur. Sie gipfelten schließlich in der Zusammenarbeit im Ersten Weltkrieg. Wie kam es dazu? (Foto: zaman)

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Die deutsch-türkischen Beziehungen haben eine lange Vorgeschichte. Die ersten Kontakte reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Die Beziehungen Preußens zum Osmanischen Reich beginnen Anfang des 18. Jahrhunderts. 1761 schloss man nach diplomatischem Kontakt einen „Freundschafts-, Schifffahrt- und Handelsvertrag“. Ein ersehnter Bündnisvertrag blieb vorerst aus. Vereinzelt kamen preußische Offiziere als Militärberater, wie Helmuth von Moltke, in die Türkei. Eine größere Militärmission gab es jedoch noch nicht.

In den Jahren 1835-1839, als Moltke sich in Istanbul aufhält, wandert auch eine Gruppe von Deutschen nach Istanbul aus. Sie gründen die Deutsche Schule, das Deutsche Krankenhaus und spielen nach etwa 40 Jahren eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Öffnung deutscher Unternehmen Richtung Anatolien.

Wie einst die Beziehungen zwischen Preußen und dem Osmanischen Reich waren auch die Anfänge der Beziehungen mit dem Deutschen Reich zwar militärischer Natur, hatten aber eine wirtschaftliche Dimension, die aus deutscher Sicht bis in die Gegenwart die Beziehung prägt. So bestellte die Hohe Pforte 1873 Waffen bei der Firma Krupp. Die Bestellungen stiegen in den Folgejahren mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, in die die Osmanen auf dem Balkan und im Osten gegen Russland verwickelt waren, nochmals an. Sultan Abdülhamid II. verfolgte eine Diplomatie des Ausgleichs, um den Zerfall des Osmanischen Reiches hinauszuzögern. Er sah in dem neu aufkommenden Deutschen Reich unter Wilhelm II. einen Partner, der sowohl für die Modernisierung des Reiches, als auch als Gegengewicht zu England von Bedeutung war.

Höhepunkt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit: Die Bagdadbahn

Mit dem Handelsabkommen von 1890 erhielt der rege Warenhandel einen offiziellen Charakter. So stieg der deutsche Export in die Türkei rapide an. Den Höhepunkt der wirtschaftlichen Verflechtungen bildete die Erteilung der Konzession für die Bagdadbahn an eine unter der Führung der Deutschen Bank stehende Gütergemeinschaft. Das Projekt sollte die größte und die prestigeträchtigste Investition des Deutschen Reiches bleiben.

Deutschlands privilegierte Stellung in der türkischen Außenpolitik nahm seinen Lauf mit Großbritanniens Okkupation Ägyptens 1882, das damals noch osmanische Provinz war. Neben Großbritannien hatte Frankreich ein Jahr zuvor Tunesien okkupiert und weitete seinen Einfluss in Syrien aus. Die englische Okkupation bedeutete auch eine Politik der Abkehr vom Osmanischen Reich und besiegelte das Ende der Rolle als „Schutzmacht“. Deutschlands neue Rolle als „verlässlicher Partner“ wurde mit dem eigenen, offen formulierten Verzicht von politischen Interessen im Orient begünstigt und gefördert. Statt eines militärischen Einsatzes und damit der direkten politischen Einflussnahme hat Deutschland bei jeder Gelegenheit den friedlichen Charakter der Beziehung unterstrichen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Vordergrund gestellt.

Nicht zuletzt verlieh die private Freundschaft zwischen dem deutschen Kaiser und dem osmanischen Sultan der grundsätzlich von Interessen geleiteten Beziehung einen freundschaftlichen Charakter. Kaiser Wilhelm unternahm insgesamt drei Orientreisen: 1889, 1898, 1917. Seine zweite Reise stand offiziell im Zeichen der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem, wo er „300 Millionen Mohammedanern“ seine Freundschaft versicherte. Das war gleichzeitig ein deutliches Zeichen, sich für den Fortbestand des Osmanischen Reiches einsetzen zu wollen.

Tiefpunkt der militärischen Zusammenarbeit: Der Erste Weltkrieg

Der jungtürkische Putsch gegen Sultan Abdülhamid II. im Jahre 1908 sorgte in den Beziehungen für eine kurze Abkühlung. Das Jahr wird als Periodengrenze und als „Bruch“ in der Geschichtsschreibung gesehen, der aber nach kurzer Zeit überwunden werden sollte.

Die starken bilateralen Beziehungen sollten sich im Ersten Weltkrieg zu einer „Waffenbrüderschaft“ entwickeln. Der Entschluss zu einem Bündnis mit Deutschland und Österreich-Ungarn, das seitens des Kriegsministers Enver Paschas vorgeschlagen war, nachdem das osmanische Parlament auch andere Koalitionen in Betracht gezogen hatte, wurde schließlich von einem kleinen Kreis der jungtürkischen Führungselite und unter Umgehung des Kabinetts gefasst. Die Allianz wurde eingeleitet, als am 28. Juli 1914 der türkische Großwesir der deutschen Botschaft das geheime Bündnis anbot. Die Reichsregierung nahm das Angebot an, der Vertrag wurde fünf Tage später am 2. August 1914 unterzeichnet. Enver Pascha teilte am 11. Oktober dem deutschen Botschafter mit, dass der deutsche Admiral Wilhelm Souchon an die Spitze der türkischen Flotte gestellt werden und die Befugnis haben könne, gegen die russische Flotte loszuschlagen.

Und zwar unter der Bedingung, dass Deutschland der Türkei zwei Millionen türkische Pfund zur Verfügung stelle. Die deutschen Schiffe „Breslau“ und „Goeben“, die am 10. August in türkische Gewässer bei den Dardanellen eingelaufen waren, wurden unter türkische Flagge gestellt und in „Yavuz“ und „Midilli“ umbenannt. Am 24. Oktober steuerten sie auf die russischen Schwarzmeerhäfen Odessa, Feodosia und Noworossijsk und griffen diese an. Die Türkei war an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eingetreten.

Der Historiker und Türkei-Kenner Prof. Dr. Klaus Kreiser sagt über den deutschen Einfluss unter der jungtürkischen Herrschaft: „In der Istanbuler Regierung unter dem moderaten Großwesir Said Halim Pascha saß als ‚Falke‘ Kriegsminister Enver Pascha, der auf die deutsche Karte in einem bevorstehenden Waffengang setzte – und damit auf einen vertrauten Partner. Der Chef der osmanischen ‚Obersten Heeresleitung‘ war damals ebenso ein deutscher Offizier wie die Chefs der Generalstäbe der meisten osmanischen Armeen und zahllose Instrukteure. Deutsche Interessen gelangten später auch in den Kriegsplan der Türken, den der preußische General Bronsart von Schellendorf als ranghöchster deutscher Soldat in osmanischen Diensten gemeinsam mit Kriegsminister Enver Pascha ausgearbeitet hatte.“

Mehmet Oyran, 26, hat Deutsch und Geschichte in Aachen studiert.